Leben hinter den Mauern der Realität

Film

Marianne Tardieu erzählt in „Qui vive“ die Geschichte eines Mannes, der versucht der Perspektivlosigkeit der französischen Vorstädte zu entfliehen. Dabei zeichnet sie ein unaufdringliches Bild einer Wirklichkeit, die vielen fremd geworden ist.

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© La Vie est Belle – Oriflamme films

Wie eine Mauer umschließen die trostlosen Häuserketten den französischen Vorort, in dem die Existenzen verschiedener Menschen kreisen. Die Lebensumstände sind bescheiden; die Stimmung bewegt sich zwischen Frust und Resignation.

Darunter befindet sich auch Chérif (Reda Kateb), ein Mittdreißiger, der wieder bei seinen Eltern lebt. Er hält sich mit Jobs als Wachmann über Wasser, trifft sich mit seinen Kumpels zum Trinken oder Dartspielen und ist täglich den Schikanen gelangweilter Jugendlichen ausgesetzt. Der einzige Hoffnungsschimmer aus diesem Kreislauf auszubrechen scheint die Aussicht auf einen Job als Krankenpfleger. Dafür lernt er hart, um endlich die Prüfung zu bestehen. Zudem trifft er die Kindergärtnerin Jenny (Adèle Exarchopoulos) und verliebt sich. Doch die Konflikte mit den Jugendlichen spitzen sich zu, sodass sein Job und auch die Beziehung zu Jenny in Gefahr sind. Aus Verzweiflung wendet er sich an seinen Freund Dedah (Rashid Debbouze) und lässt sich auf einen Deal ein, der fatale Folgen mit sich bringt …

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© La Vie est Belle – Oriflamme films

Die französische Regisseurin Marianne Tardieu zeichnet das Portrait eines Mannes, der seinen Platz im Leben noch nicht gefunden hat. Eingeschlossen in der Perspektivlosigkeit der Vorstädte, plätschert sein Leben ohne einen höheren Sinn dahin. Er ist wie ein Unsichtbarer, den Tardieu sichtbar machen will, indem sie zwingt hinzusehen: Die alltäglichen Routinen, die trivialen Gespräche, die kleinen und großen Träume, die an den Betonwänden der Vorstadt zerplatzen.

QUI VIVE HD

© La Vie est Belle – Oriflamme films

In kalten Blautönen unterstreicht sie die unterkühlte Atmosphäre, die sich durch den Film zieht. Die blauen Wände und das spärliche Licht, das in Chérifs altem Kinderzimmer verblasst, zeichnen einen physischen und mentalen Käfig. Die Enge und Einsamkeit wird dadurch unweigerlich spürbar und zwingt den Zuschauer Chérifs Platz einzunehmen. Er ist ein Verlierer auf ganzer Länge, der sich weder als Wachmann Autorität verschaffen kann, noch privat auf eigenen Beinen steht. Als Gegenstück steht die taffe Jenny, die es für einen Moment schafft, ihn aus der lähmenden Lethargie zu ziehen. Sie ist jung hübsch und stark und rebelliert gegen die graue Wirklichkeit durch Malerei und Animationsvideos, die sie entwirft.

Die zermürbende Grundstimmung des Films wird nur durch wenige Momente aufgehellt und beschreibt dadurch eine Realität, die den Figuren wenig Handlungsspielraum gibt. Dieses kann auf langer Sicht etwas ermüdend wirken, dennoch schafft Tardieu mit einem unaufdringlichen Blick eine Wirklichkeit abzubilden, die weder verklärt noch idealisiert.

Ein etwas langatmiger, aber eindringlicher Film.

E.Kelpe

 „Qui vive“; Drama; Frankreich 2014; Verleiher: rezofilms; Regie: Marianne Tardieu; Darsteller: REDA KATEB, ADèle EXARCHOPOULOS, MOUSSA MANSALY, RASHID DEBBOUZE
Bildquellen: © La Vie est Belle – Oriflamme films

Trailer

 

 

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